Autorentext:
Die Moderne häuft große Möglichkeiten vor den Menschen auf, sie gibt Positionen auf und ersetzt sie durch andere, mitunter durch vormoderne,
anderseits durch nachmoderne. Solcherlei wird schon länger in Debatten über eine Postmoderne und einer Zweiten Moderne erörtert;
die postulierte Zunahme an Risiken zeigt darin, dass wir uns in einer Phase des Wandels befinden, der viele Möglichkeiten, Versprechungen
der Moderne an die Menschen, in der Logik des Wirklichen, in der Faktizität des Normativen, auflöst und zugleich Wirkliches hervorbringt,
das angesichts des Möglichen, des nach wie vor gültigen und eigentlich grandiosen Entwurfs der Moderne, dem Ausgang des Menschen
aus selbst verschuldeter Unmündigkeit, doch ein gewisses Entsetzen hervorrufen kann.
Die Moderne scheint an einem Punkt angekommen, an dem ihre Versprechungen und Möglichkeiten, eben einer Befreiung
aus selbst verschuldeter Unmündigkeit, sich immer weniger in den Wirklichkeiten spiegeln; darin kann auch eine Abschwächung
moralischer Entwürfe und menschlicher Ideale gesehen werden. Das aber nenne ich in einer eher literarischen Annäherung
„Erschöpfung“; Vorstellungen und Erfahrungen klaffen auseinander.
Ronald Lutz