Thomas Friedrich: Heilpädagogische Praxis

Autorentext:
Die gegenwärtige heilpädagogische Diagnostik und Förderung verkennt oder umgeht in ihrer durchterminierten und durchinstitutionalisierten, geradezu zeitlich getakteten Ausübung oft ihre allgemein humanistische Aufgabe einer sozialen Einmischung, ihr Mandat einer kommunitären Positionierung und politischen Gegenwirkung. Dieser Vergesslichkeit begegnet der Handlungsansatz des empowerment, 1999 in Deutschland noch weitgehend unbekannt und erst im Folgejahrzehnt zur Diskussion und Anmerkung gebracht – wie ihn exemplarisch Father Tony und viele andere Drittweltsozialarbeiter seit den frühen 1980ern in existentiellen Miserelagen anfingen, umsetzten, durchhielten – allesamt sich an dem brasilianischen Befreiungspädagogen Paulo Freire anlehnend, auf ihn fußend. "Die Tatsache, dass die Heilpädagogik mit Randgruppen der menschlichen Gesellschaft zu tun hat, deren Existenzberechtigung stets vom Verständnis (sowohl in der Bedeutung der Sinnfindung als auch in jener des Wohlwollens) einer Majorität von unversehrten und arrivierten Gesellschaftsmitgliedern abhängt, bringt es mit sich, dass auch die Heilpädagogik selbst in Theorie und Praxis vielfach noch auf Skepsis und Unverstand stößt. Die anthropologische Basis und die sozialethischen Grundsatzentscheidungen, auf denen die Heilpädagogik aufruht, erweisen sich stellenweise immer wieder als brüchig." (Emil E. Kobi 1977).