Hinführung zu Aurobindos Hierarchie über Platons Liniengleichnis - Ein philosophischer Exkurs

Autorentext:
Platons Interesse für eine politische Erneuerung legt ebendieses auch für die "Erneuerung" der Staatsbürger nahe, also für die Bildung der Menschen von Hellas (des weiträumigen und vielgliedrigen; nicht nur Athens oder männlichen Geschlechts) zu zuverlässigen Trägern einer standhaften und gemeinwesensaktiven (Ge-)Wissensethik, zu Protagonisten eines gerechten Staats- und Gesellschaftslebens. Hier nun findet sich seine zeitlose Autorität für die Pädagogik. Platons Erziehungsverständnis vollzieht den Wandel von einer rein funktionalen Erziehung - der Mensch soll nicht allein ein zoon politikon sein - hin zu einer gut geleiteten und rechtswirksamen Bildung: er fragt gezielt nach der Tauglichkeit der menschlichen Seele (in ihren Veranlagungen und Kräften) zu Weisheit und Gerechtigkeit, und er hinterfragt skeptisch die Tauglichkeit der menschlichen Menge auf ihre Anlagen, Möglichkeiten und Potentiale hin.
Überraschend finden sich Analogien und Fortsetzungen nahezu 2000 Jahre später in Indien in der Person des Sri Aurobindo (1872-1950), der gleichsam als Philologe, Nationalpolitiker, Volkspädagoge, Philosoph im buchstäblichen Sinne der Worte gilt, seinerseits ebenso die Krise seiner indischen Heimat anbetracht der kolonialen Inferiorität vor Augen, der aber auch ausgiebig in England westeuropäische Sprachen und mit Auszeichnung die lateinische und griechische Antike studiert hatte. Sein anglophiler Vater, ein Mediziner aus Kalkutta, hatte ihn als 7-jähriges Kind mit seinen Brüdern von einem Missionsinternat in Darjeeling nach Manchester zu anglikanischen Geistlichen geschickt, von wo sie später nach London zu Schule und Studium umsiedelten. Gar aus Cambridge dank eines Stipendiums kehrte er 1893 als 21-jähriger Juvenil mit akademischer Hochschätzung und dennoch als ein militant-anglophober Nationalist nach Indien zurück.