Autorentext:
Rückt jedoch das Zentrum einer Kleinstadt in den Blickwinkel einer genaueren Betrachtung, so sind speziell in der jüngeren Vergangenheit einige Problemlagen zu erkennen, mit denen die Altstadt zu kämpfen hat: zunehmende Leerstände an Geschäftshäusern und teilweise durch Arbeitslosigkeit verursachte Abwanderung führten zu einem gewissen Imageverlust des jeweiligen Stadtkerns und drohten, die ansonsten positive Grundstimmung zu trüben. Oftmals – und besonders auch im Falle Sozialer Arbeit – rücken genau solche Problemlagen bei der grundsätzlichen Betrachtung eines Stadtteils in den Vordergrund. Sei es hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Identifikation mit dem Quartier, Vandalismus, Wohnungsnot oder steigende Jugendkriminalität – gesehen werden in einer sozialräumlichen Analyse meist in erster Linie die Schwächen und Defizite eines Gebietes. Geht es nun darum, für den betreffenden Stadtteil in den kommunalen Gremien möglichst hohe finanzielle Zuwendungen bewilligt zu bekommen, so müssen die Verantwortlichen oftmals zu einem unangenehmen Mittel greifen: Sie müssen, so ungern sie dies auch praktizieren, die Schwächen und Defizite des betreffenden Gebietes klar benennen und aufzeigen, um die Notwendigkeit finanzieller Zuwendungen zur Verbesserung der Gesamtsituation zu verdeutlichen. Die mit dieser nicht einfachen Aufgabe betrauten Personen sollten deswegen einerseits die entsprechenden Schwachstellen realistisch, ungeschönt und ehrlich darstellen, andererseits aber unbedingt auch vermeiden, den entsprechenden Stadtteil schlecht zu reden. Eine überzogen düstere Schilderung könnte sich nämlich aufgrund ihrer medialen Präsenz negativ auf das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl der Bewohner des Quartiers auswirken. Besonders sozialwissenschaftliche Professionen wie die Soziale Arbeit sollten kritisch über ihre oftmals übermäßige Akzentuierung defizitärer Aspekte zu Lasten potentieller Aktivposten nachdenken. In diesem Zusammenhang wäre ein Perspektivwechsel weg von einer unausgewogenen, einseitigen Gewichtung der Schwächen eines Quartiers hin zur vorrangigen Würdigung seiner Stärken sehr wünschenswert. Kann es aber gelingen, einen solchen Perspektivwechsel innerhalb des oftmals defizitorientierten Bewusstseins Sozialer Arbeit zu realisieren? Und wie könnte eine neue, ressourcenorientierte Perspektive konkret aussehen? Um die angesprochene Frage zu klären, ist es hilfreich, sich in einem ersten Schritt mit den theoretischen Überlegungen des relationalen Raumkonzeptes (Löw) zu beschäftigen. An den zentralen Grundgedanken dieses Theoriekonstruktes, dass Menschen auf ihren Raum Einfluss nehmen können, ihn zu einem gewissen Grad nach ihren Vorstellungen gestalten und positiv verändern können, schließt sich das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ samt seinem Ergänzungsprogramms „Lokales Kapital für soziale Zwecke (LOS)“ an. Durch dessen vorrangiges Ziel, lokale Selbstorganisations- und Selbstheilungskräfte zu wecken sowie zu unterstützen, sollen Menschen durch vielfältige Projekte aus den verschiedensten Bereichen letztlich dazu ermutigt und befähigt werden, in positiver Weise an der Konstitution ihres eigenen Sozial- und Lebensraums mitzuwirken. Im Zuge der „Sozialen Stadt“ findet auch die Steuerungstechnik Berücksichtigung, welche die Soziale Arbeit zur Ermöglichung möglichst hohen Bürgerengagements in einem sozialräumlichen Verständnis einsetzt: der „bottom-up-Ansatz“. Auf der Basis des relationalen Raumverständnisses und unter Einbezug des Hauptzieles der „Sozialen Stadt“, Selbstorganisationskräfte zu wecken, soll durch den methodischen Zugang der „Aktivierung im sozialen Raum“, genauer gesagt durch die aktivierende Methode „Asset Based Community Development (ABCD)“ samt ihrem „Schatzkarten-Modell“ am Beispiel der Stadt Kronach aufgezeigt werden, wie die Stärken eines Stadtteils in den Vordergrund rücken können. Anhand einer „Schatzkarte“ des Gebietes, das durch das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ gefördert wird, soll ein Wechsel der Perspektive von den Schwächen fort und hin zu den Stärken und Aktivposten des Quartiers aufgezeigt werden. Auf diese Weise soll quasi das „Plädoyer für eine Ressourcenperspektive“ (Herriger) gehalten werden. Abschließend werden drei wesentliche Aktivposten des Fördergebietes, allesamt LOS-Initiativen der „Sozialen Stadt“, näher unter dargestellt werden. In diesem Zusammenhang wird die Begründung für die Auswahl und die inhaltlichen Vorstellung erörtert werden, worin der gewinnbringende, bereichernde Gehalt des jeweiligen Interventionsansatzes besteht.